ETH Zürich

Department of Computer Science
Distributed Systems Group

Relevante Technologien von Morgen

Fachseminar Ubiquitous Computing SS2000

Gregor Bättig greg@student.ethz.ch

Abstract

Ein wichtiger Bestandteil des Ubiquitous Computing ist das Assoziieren von Objekten der realen Welt mit einer virtuellen Repräsentation. Um auf diesen "Datenschatten" eines Objekts zuzugreifen, muss man das reale Objekt automatisch identifizieren können. Hierfür existieren verschiedene Technologien, welche zum Teil bereits seit Jahren für diverse Aufgaben eingesetzt werden. Ich werde in meinem Vortrag einige dieser Technologien und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile vorstellen, mit Schwerpunkt auf radiofrequenter Identifikation (RFID), der Technologie, auf der Smart Labels aufbauen.

Neben Smart Labels existieren noch weitere sogenannt smarte Technologien: Smart Devices, Smart Paper, Smart Matter. Was sich hinter diesen Schlagwörtern verbirgt und welche Rolle Kunststoffen im Ubiquitous Computing zukommen könnte, werde ich im zweiten Teil meines Vortrages ansprechen. Ferner werde ich anhand konkreter Projekte aufzeigen, wie die oben genannten Technologien eingesetzt werden können.

I. Einleitung: Supermarkt der Zukunft

Wie wird ein Supermarkt wohl in Zukunft aussehen? Ich stelle ihn mir folgendermassen vor: Wenn ich eintrete erwartet mich wie gewohnt eine Reihe Einkaufswagen. Im Unterschied zu heute ist jedoch an jedem Wagen ein kleines Display befestigt. Ich ergreife ein solches Gefährt und mache mich auf, meine Einkäufe zu tätigen. Wann immer ich einen Artikel in meinen Einkaufswagen lege, erscheint auf dem Bildschirm sein Preis und der aufsummierte Wert meiner Besorgungen. So weiss ich zu jedem Zeitpunkt über meine Ausgaben Bescheid, ohne dass ich selber rechnen müsste.

Am Auffallendsten ist jedoch, dass das gewohnte Rollband bei der Kasse fehlt. Ohne die Einkäufe auszuladen, kann ich meinen Einkaufswagen an der Kassiererin vorbeirollen, worauf automatisch abgerechnet wird, ich die Rechnung präsentiert bekomme, bezahle und den Supermarkt verlasse.

II. Automatische Identifikation

Um diese Vision zu realisieren, ist es offensichtlich nötig, die Gegenstände im Einkaufswagen automatisch zu erkennen. Technologien, die hierfür in Frage kommen, sind folgende:

Wenn man sich überlegt, welche dieser Technologien am ehesten für den beschriebenen Supermarkt in Frage käme, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass der erste Platz der Radio Frequency Identification zusteht. Die Artikel im Einkaufswagen sollen ohne Kontakt und in grösseren Mengen gelesen werden können - dies ist nur mittels RFID möglich. Werfen wir also einen Blick auf die unterschiedlichen Bauformen von Transpondern.

Die häufigste Bauform sind Disks und Münzen. Der Transponder sitzt dabei in einem runden Kunststoffgehäuse mit einem Durchmesser von wenigen Millimetern bis zu 10 cm.

Zur Identifizierung von Tieren - und vielleicht eines Tages auch Menschen - werden Transponder in einem Glasgehäuse eingesetzt, welche unter die Haut injiziert werden können und zwischen 12 und 32 mm lang sind.

Wenn ein Transponder hohe mechanische Belastung aushalten soll, dann erhält er ein Plastikgehäuse. Dieses wird auch häufig in andere Bauformen integriert, zum Beispiel in Autoschlüssel für elektronische Wegfahrsperren. Auf diese Weise könnte auch eine Fahrererkennung realisiert werden.

Eine weitere Bauform stellen kontaktlose Chipkarten dar, deren grosse Spulenfläche grosse Reichweiten ermöglicht. Kontaktlose Chipkarten sind zum Beispiel immer häufiger bei Skiliften anzutreffen als Ersatz für die herkömmlichen Papiertickets.

Abb. 1: Verschiedene Bauformen von Transpondern. Von links nach rechts: Disks, Glasgehäuse, Plastikgehäuse, kontaktlose Chipkarte

Als Smart Labels werden papierdünne, flexible Transponder bezeichnet, deren Spule durch Siebdruck oder Ätztechnik auf eine circa 0,1 mm dicke Plastikfolie aufgebracht wird. Smart Labels finden Verwendung in der Flughafen-Gepäckabfertigung, im Buch- und Filmverleih sowie in der Logistik.

Kehren wir nochmals zurück zur Vision vom Supermarkt der Zukunft und bauen noch eine Erweiterung ein. Wir haben gesehen, dass es möglich wäre, das Rollband an der Kasse abzuschaffen, indem man an jeden Artikel einen Transponder befestigt und so eine automatische Identifizierung der Waren ermöglicht. Ich möchte nun zusätzlich, dass der Supermarkt auch mich automatisch erkennt und meine Einkäufe direkt meinem Konto belastet. Dies würde mir ermöglichen, ohne zu meiner Brieftasche zu greifen, aus dem Laden zu spazieren, was eine weitere Steigerung des Komforts mit sich bringen würde und schlussendlich auch eine Abschaffung des Kassierers zur Folge hätte. Gesucht ist nun also eine Technologie um Personen zu identifizieren.

Naheliegend wäre es, auch zu diesem Zweck RFID einzusetzen. Dies wäre problemlos möglich, ich denke hier speziell an kontaktlose Chipkarten oder auch an einen Glastransponder, welchen man sich zum Beispiel in den Oberarm einpflanzen lassen könnte. Dass eine breite Öffentlichkeit in naher Zukunft an dieser Idee gefallen finden wird, darf allerdings bezweifelt werden.

Eine weitere Möglichkeit zur automatischen Identifikation von Personen stellen biometrische Verfahren dar. Diese beinhalten Fingerabdruckverfahren, Sprachidentifizierung und Netzhaut-Scan. Im Gegensatz zu anderen Methoden wird bei biometrischen Verfahren "direkt" die Person erkannt, die es zu identifizieren gilt, und nicht zum Beispiel eine Chipkarte, welche die Person auf sich trägt. Da es sich speziell beim Fingerabdruckverfahren um eine Technik handelt, die seit Jahren für die Identifizierung von Kriminellen verwendet wird, hege ich auch bezüglich der biometrischen Verfahren eine gewisse Skepsis, dass sie in naher Zukunft generelle Akzeptanz finden werden.

Die letzte Technologie, welche ich in diesem Zusammenhang vorstellen möchte, sind die Personal Area Networks (PAN). Hierbei wird ein elektrisches Signal in einem kleinen Gerät, das der Benutzer auf seinem Körper trägt, erzeugt und durch den menschlichen Körper geleitet, ermöglicht durch den hohen Salzwasser-Gehalt. Dieses Signal kann zum Beispiel durch Anfassen eines Kontakts an eine Maschine übermittelt werden. Da das Signal aus einem äusserst schwachen Strom (1 nA) besteht, ist diese Technologie gesundheitlich völlig unbedenklich. Es wird zudem eine niedrige Frequenz ( < 1 MHz) verwendet, was zur Folge hat, dass sich das Signal kaum ausserhalb des Körpers ausbreitet. Dies führt zu hoher Abhörsicherheit und dazu, dass keine Störsignale auftreten. Verstärkt wird dieser Umstand zusätzlich dadurch, dass ein elektrisches Feld zur Signalerzeugung verwendet wird, dessen Stärke mit dem Abstand im Kubik abnimmt, während ein magnetisches Feld - verwendet bei RFID - nur mit dem Abstand im Quadrat abnimmt.

Weitere Anwendungen von PANs sind der Austausch von elektronischen Visitenkarten durch Händeschütteln, Kommunikation von Geräten wie PDAs, Pager und Mobiltelefone über den Körper und Abrufen von medizinischen Daten zu einer Person, was sich vor allem bei Unfällen als nützlich erweisen dürfte.

Um den Abschnitt zur automatischen Identifikation zu beenden, werfen wir einen letzten Blick auf unseren Supermarkt der Zukunft. Das Szenario, welches mir persönlich am besten gefällt, beinhaltet Warenidentifikation mittels Smart Labels - diese Technologie ist verfügbar - und Kundenidentifikation durch PANs - diese Technologie steckt leider noch in der Entwicklung. Weshalb wird aber nicht wenigstens der erste Schritt, die automatische Warenidentifikation, umgesetzt? Die Antwort darauf lässt sich im wesentlichen auf die noch zu hohen Kosten reduzieren. Im nächsten Abschnitt werden wir uns mit einer möglichen Lösung dieses Problems befassen: Plastic Chips.

III. Polymer Electronics

Es mag erstaunen, aber Tatsache ist: es gibt Kunststoffe, die leitfähig sind! Die Forschung beschäftigt sich zur Zeit speziell mit Kunststoff-Chips und Leuchtdioden aus Kunststoff (PolyLED). Beides existiert bereits in der Form von Laborprototypen.

Kunststoff-Chips werden zwar bezüglich Schaltgeschwindigkeit und Langlebigkeit weniger leistungsfähig sein als herkömmliche Chips, dafür viel günstiger herzustellen. Sie sind nicht als Konkurrenz zur heutigen Technologie gedacht sondern vielmehr als Ergänzung. Verwendung finden werden Sie in Anwendungen, welche wenig Leistung und tiefen Preis erfordern - wie zum Beispiel als Teil eines Smart Labels. Kunststoff-Chips zeichnen sich speziell durch ihre Flexibilität aus, denn sie funktionieren auch in gefaltetem Zustand.

Die PolyLED ist deutlich einfacher herzustellen und ihre Entwicklung ist daher auch weiter fortgeschritten. Diese Technologie soll fast beliebig grosse Displays ermöglichen, welche dünn, leicht, flexibel und günstig sein werden. Zudem soll ein solcher Bildschirm bei gleicher Helligkeit dreimal weniger Energie verbrauchen als ein herkömmliches LCD-Display und erst noch einen hohen Kontrast und grosse Helligkeit unabhängig vom Blickwinkel liefern. Ein Bildschirm komplett aus Kunststoff liegt allerdings noch in weiter Ferne.

Abb. 2: Smart Labels
Abb. 3: Von links nach rechts: Wafer mit Plastic Chips, Smart Label mit Plastic Chip, PolyLED

IV. Smart Paper

Weiter fortgeschritten soll hingegen Smart Paper sein. Verschiedene Firmen forschen mit Hochdruck an dieser Technologie. Am Beispiel von Gyricon, dem Projekt des Xerox PARC, möchte ich zeigen, worum es hierbei geht. Der Name Gyricon stammt aus dem griechischen, wo "gyro" rotieren und "icon" Bild bedeutet. Es handelt sich um eine papierdünne Folie, auf der kleinste Kügelchen in eine elektrisch leitende Schicht eingebettet sind. Diese Kugeln sind jeweils zur Hälfte weiss und schwarz und orientieren sich durch ein angelegtes elektrisches Feld. Das dabei entstehende Bild bleibt auch nach Entfernen des elektrischen Feldes bestehen. Interessant ist, dass das Prinzip hinter Gyricon bereits vor 20 Jahren erfunden wurde. Ob es in drei Jahren tatsächlich wie versprochen auf dem Markt sein wird, wird sich weisen.

Abb. 4: Von links nach rechts: Eine Menge schwarz-weisser Kügelchen, ein Prototyp von Gyricon

V. Smart Devices

Smart Devices sind Alltagsgeräte, welche dank eingebautem Prozessor Verhalten und (eventuell) Gedächtnis erhalten. Wie dies konkret aussehen kann, will ich am Beispiel des MIT-Projekts "Counter Intelligence / Kitchen Sync" aufzeigen. Das Ziel dieses Projekts ist eine intelligente Küche, die weiss, was in ihr geschieht, und was in der Vergangenheit geschehen ist. Sie soll intelligente Einzelgeräte enthalten, die miteinander kommunizieren können und so der gesamten Küche Intelligenz verleihen.

Counter Intelligence hatte zwei Vorläufer: "PC Dinners / MicroChef" und "Mr. Java". MicroChef besteht im Wesentlichen aus einem Mikrowellenofen mit Barcode-Scanner, wobei mit dem Barcode eines Lebensmittels Kochinformationen und ein Soundfile assoziiert werden. Das Soundfile gibt dem Benutzer Anweisungen, zum Beispiel die Verpackung der Lasagne zu öffnen und den Inhalt auf einem Teller in den Ofen hinein zu schieben. Wichtig zu bemerken ist, dass MicroChef kein Gedächtnis hat.

Mr. Java ist eine Kaffeemaschine, welche unter der Tassenablage ein RFID-Lesegerät eingebaut hat. Da das Lesegerät an dieser Position leicht verschmutzt werden kann, wäre ein Barcode-Scanner völlig ungeeignet, und daher wird hier RFID verwendet. Unter jeder Kaffeetasse ist ein Transponder angebracht, wodurch Mr. Java den Besitzer der Tasse ermitteln und den Kaffee seinen Wünschen entsprechend zubereiten kann. Währenddessen wird noch ein benutzerspezifiziertes RealAudio-File abgespielt. Auch Mr. Java hat kein Gedächtnis bezüglich der individuellen Benutzer, kann aber immerhin über den totalen Kaffeekonsum Buch führen.

Counter Intelligence selbst stellt eine intelligente Arbeitsfläche als Schnittstelle zwischen Koch, Rezepten und Zutaten dar. Dazu gehört eine Waage mit RFID-Lesegerät, welche Behälter erkennt und sich automatisch tariert. Weitere Lesegeräte erkennen die Lebensmittel und eine Kochanleitung wird Schritt für Schritt an die Wand projiziert. Counter Intelligence hat ein Gedächtnis.

Künftige Projekte sind "Everything Bit" und "Cool I/O", ein intelligenter Kühlschrank, welcher seinen Inhalt, die Standorte seines Inhalts, Ablaufdaten und Daten, wann etwas zuletzt verwendet wurde, kennt - mit anderen Worten: die Geschichte jedes Objekts in ihm drin. Bei Everything Bit geht es darum, dass jedes Gerät in der Küche mit den anderen kommunizieren können soll. Wenn ein Behälter in die Spülmaschine gelegt wird, wird dies dem Kühlschrank mitgeteilt. Dieser schliesst dann daraus, dass die Lasagne, welche sich zuvor im Behälter befand, aufgebraucht ist.

VI. Smart Matter

Smart Matter lässt sich im Wesentlichen in Nano Technologie und in Mikroelektromechanische Systeme (MEMS) aufteilen. Die Idee hinter der Nano Technologie ist, Materie Atom für Atom zusammenzusetzen, was viel eleganter wäre als die heutigen "groben" Methoden zur Konstruktion von Objekten. Obwohl es tatsächlich schon gelungen ist, einzelne Atome nach Belieben zu positionieren, wird es wohl noch Jahrzehnte dauern, bis erste konkrete Resultate Vorliegen.

MEMS bestehen aus winzig kleinen Sensoren und Motoren, welche die Umgebung eines Objekts kontrollieren und bei Bedarf bestimmte Parameter anpassen. MEMS finden schon heute Verwendung, zum Beispiel bei Airbags zur Bestimmung der Bremsbeschleunigung.

VII. Schluss

In meinem Vortrag habe ich darüber gesprochen, wie Dinge und Personen automatisch identifiziert werden können. Besonders hervorgehoben habe ich dabei Radio Frequency Identification sowie Personal Area Networks. Weiters habe ich erwähnt, wie Polymer Electronics unter anderem Smart Labels beflügeln könnten, wie Smart Paper funktioniert, sowie über Smart Devices und Smart Matter gesprochen. Man darf gespannt sein, wie sich diese Gebiete weiter entwickeln!

Quellen

Auf der Homepage des Fachseminars Ubiquitous Computing befindet sich eine ausführliche Auflistung meiner Quellen: http://www.inf.ethz.ch/vs/education/SS2000/UC/abstracts/UbiCompAbstract-Baettig.html